XIII. Gibt es Hinweise auch in van Goghs Kunstwerken?

 

Abgesehen von den deutlichen Hinweisen in seinen Briefen reagierte van Gogh auf Gauguins Legende auch in einigen seiner Kunstwerke. Anfang Januar 1889, einige Tage nach seiner vorläufigen Erholung wurde er aus dem Hospital entlassen und kehrte in Gelbe Haus zurück. Dort malte er die beiden berühmten Fassungen des „Selbstporträts mit dem Ohrverband“. Betrachtet man diese Selbstporträts genauer, so stellen keineswegs einen Mann dar, der sich kurz zuvor selbst in einem Wahnsinnsanfall schwer verletzt hatte und darüber womöglich beschämt war. Ganz im Gegenteil: Sie zeigen den Ohrverband, das Indiz der Verletzung, demonstrativ und anklagend. Sie können eher als eine Anklage gegen den Täter Gauguin betrachtet werden, keineswegs als Selbstanklage.

Ebenso besteht Anlass, van Goghs Porträts der Madame Roulin (“La Berceuse”) mit einem Stück rohen Seils in den Händen, neu zu interpretieren. 42
Dieses Seil ist keineswegs ein „Wiegenband“, wie es von manchen Kunsthistorikern gedeutet wurde. Van Gogh hatte die erste Fassung dieses Porträts fast fertiggestellt, als er wegen des Ohr-Vorfalls die Arbeit unterbrechen musste. Nach seiner Rückkehr ins Gelbe Haus, nahm er die Arbeit daran wieder auf und fügte nachträglich das bedeutungsvolle Seil mit den abgeschnittenen Enden hinzu, das mit Bezug auf Daudets Roman „Tartarin sur les Alpes“ ein verschlüsselter Hinweis auf Gauguins Verwicklung in die Ohr-Affäre ist (siehe dazu Frage 12).

Über Mme Roulin, "La Berceuse" haben wir eine Sonderseite herausgegeben (auf Englisch).


 

42. F 508, JH 1671; reproduced in Druick/Zegers 2001, p. 261

 

  

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